Montag, 18. Juni 2012

Samstag, 16. Juni 2012

Das deutsche Schweinehautverwesungsmassaker. Eine Hommage an Christoph Schlingensief. *



(FOTOGRAFIE AUF SCHWEINEHAUT)




(FOTOGRAFIE AUF SCHWEINEHAUT)





(FOTOGRAFIE AUF SCHWEINEHAUT)




(FOTOGRAFIE AUF SCHWEINEHAUT)





(FOTOGRAFIE AUF SCHWEINEHAUT)

 

 


(FOTOGRAFIE AUF SCHWEINEHAUT)





(FOTOGRAFIE AUF SCHWEINEHAUT)




©by Christian Schwarz 2010 / 2011

* Das deutsche Kettensägenmassaker. Ein Film von Ch. Schlingensief (1960 - 2010) aus dem Jahre 1990.


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„Was ist Kunst?“



Leo Tolstoi - der hochgeachtete Romancier und spätere - teilweise belächelte - Moralprädiger meint dazu:
„In sich das einmal empfundene Gefühl hervorrufen und, nachdem man es in sich hervorgerufen hat, dieses Gefühl durch Bewegungen, Linien, Farben, Töne, Bilder, die durch Worte ausgedrückt sind, so wiederzugeben, daß andere dasselbe Gefühl empfinden - darin besteht die Tätigkeit der Kunst.“

Siegmund Freud meint, dass:
...der Künstler auch im Ansatz ein Introvertierter ist, der es nicht weit zur Neurose hat. Er [...] möchte Ehre, Macht, Reichtum, Ruhm und die Liebe der Frauen erwerben;
es fehlen ihm aber die Mittel, um die Befriedigungen zu erreichen. Darum wendet er sich wie ein anderer Unbefriedigter von der Wirklichkeit ab und überträgt all sein Interesse, auch seine Libido, auf die Wunschbildungen seines Phantasielebens, von denen aus der Weg zur Neurose führen könnte.“

Aber Cynthia Freeland hält dem entgegen, und das ist auch gut so,- daß der Künstler Neurosen vermeidet, indem er Phantasien oder Tagträume aufbereitet und somit auch anderen Menschen eine allgemeine Lustquelle bereitstellt.

Vor gut einer Woche legte man mit nahe einen Psychologen aufzusuchen. Ich würde nicht ausreichend kommunizieren und studiere doch Kommunikationsdesign.
Für mich - jetzt hier als Referent und Rezipient ist Kunst - heute mehr denn je - auch politischer Natur.

Künstler wie Bert Brecht und seine Mitautoren Elisabeth Hauptmann und Emil Burri und deren
Heilige Johanna:

Auszughaft sei vorgetragen, denn es passt nur zu gut in meine Arbeit:

„Gestern wurde wieder hurtig der Lohn gesenkt Und heut hängt schon wieder die Tafel aus: Jeder kann weggehen, der Mit unsern Löhnen nicht zufrieden ist.
Gehen wir doch alle einfach weg und Scheißen auf den Lohn, der täglich geringer wird.

STILLE

Lange schon ist diese Arbeit uns ekelhaft Die Fabrik uns die Hölle, und nur Alle die Schrecken des kalten Chicagos konnten Uns halten hier. Aber jetzt Kann man für zwölf Stunden Arbeit nicht mehr Das trockene Brot verdienen und Die billigste Hose. Jetzt
Kann man gradsogut weggehn und Schon gleich verrecken.

STILLE

Wofür halten uns die? Glauben sie Wir stünden wie Ochsen da, bereit Zu allem? Sind wir Ihre Deppen? Lieber verrecken doch! Auf der Stelle
Gehen wir weg

STILLE

Derlei Texte haben doch nichts an ihrer gesellschaftlichen Kritik eingebüßt.

„Was wir mit Hilfe der Kunst begreifen, spüren wir ebenso in den Knochen, Nerven und Muskeln, wie wir es mit unserem Geist erfassen; die ganze Sensibilität und Empfänglichkeit des Organismus hat Anteil an der Erfindung und Interpretation von Symbolen. > So Nelson Godman in seinem 1968 erschienenen Buch Sprachen der Kunst.

Befasst man sich mit der Ausdruckstheorie wird der Künstler mit der Ansicht konfrontiert, dass das von ihm ausgedrückte (bewußt oder unbewußt) Gefühle und Wünsche seien. Andere Denkansätze sehen in der Kunst die Bereitstellung von Wissen und eine sinnvolle Tätigkeit des Menschen mit dem Geist zu kommunizieren.

Kommen wir nochmals zurück zu meiner psychischen Verfassung.

Christoph war in seiner letzten Lebensphase auch recht mitteilungsbedürftig - für einige zu mitteilungsbedürftig - wenn er bspw. nicht nur in Interviews seine Krankheit thematisierte.
Aber ich frage Sie: Wollen Sie nicht auch lieber Jemandem zuhören der aufrichtig über Dinge spricht, die sonst tabuisiert werden. Der aus seiner Krankheit tiefste Kraft schöpft und uns Konsumenten Anteilhaben lässt, an seinen inneren Empfindungen und uns die Möglichkeit bietet bei ihm zu sein und mit ihm zu sein.

Zeugt dies nicht von Größe? Würde sich nicht ein Großteil verkriechen und abwarten....
Oder hören sie lieber einem x-beliebigen Politiker zu, der im Grunde rein gar nichts mitzuteilen hat und somit ihre Aufmerksamkeit straft?

Christoph Schlingensief hatte etwas mitzuteilen, als er vor 20 Jahren den Film „Das deutsche Kettensägenmassaker“ drehte.


Die Filmzentrale.de meint:

„Im Jahre 1990 hat der Westen mit seiner 41-jährigen, schon leicht inzestuösen, Wurst-Erfahrung unerwartet neues, ein wenig graues Rohfleisch aus dem Osten gewinnen können. Jenen Vorgang nannte man ‚Wiedervereinigungʻ. Und selbiges Ereignis war Anlass für diesen Film, dessen Drehbuch Schlingensief – einerseits inspiriert durch Tobe Hoopers ‚Texas Chainsaw Massacreʻ, andererseits durch die bananenschwenkenden, ‚Wir sind das Volkʻ- skandierenden Menschenmassen beim Grenzübergang Ost-West, innerhalb von 14 Tagen fertig hatte. ‚Sie kamen als Freunde und wurden zu Wurstʻ bringt der Slogan des Films die Geschichte auf den Nenner, und Schlingensief korrigiert im Interview etwa 10 Jahre später: ‚Nicht einmal Wurst, sondern einfach nur Grützeʻ sei rückblickend aus ihnen, den Brüdern und Schwestern aus dem Osten, geworden.“

Diese - durchaus sehenswerte - kleine Filmperle ist mein ,Aufhängerʻ für die Hommage an selbigen.

...SCHEITERN ALS CHANCE...

Dies Zitat von Schlingensief passt nur zu gut zu meiner Arbeit, denn diese war für mich von Anfang an ein Experiment, denn mit fotochemischen Mitteln hat - meines Wissen - zuvor noch niemand Schweinehaut bearbeitet und so ließ ich mich dann auch - bereits tief im Realisierungsprozess seiend - von einem etwas ratlosen Chemieprofessor sagen, dass Schweinehaut stark schwefelhaltig ist und dass ihr scheitern hervorrufen könne.

...Christoph ließ sich auch nicht beirren...

Und so gab es neue Chancen der Realisierung ...denn ich fand im Aceton einen getreuen Partner, der meiner Arbeit und Gesundheit, die nötige Würze gab.

Für mich stand fest, dass meine Hommage nicht nur jenseits gewandt sein soll, sondern auch das Diesseitige erfassen und so ist meine Theoriearbeit - ganz im schlingensiefschen Sinne ein zum scheitern verurteiltes real-satirisch-politisch-kulturell- dramatisches ,Werkʻ geworden und auch meine audio-visuell-(und wer mag...) haptisch- und auch mit der Nase erfahrbare Arbeit erfasst das diesseitig-jenseitig-zukünftige. Ganz im Gedankenkonstrukt von Christoph Schlingensief verhaftet.

Die Spiegelbildredaktion gab mir die Möglichkeit aus ihrem riesigen digitalen Bilderbestand zu schöpfen und so fanden Politiker, Unternehmenspräsidenten, Arbeitgeberpräsidenten und andere Gestalten Verwendung.

Anschließend fanden sich diese auf frischer Schweinehaut wieder und wurden teilweise nach Beendigung des Herstellungsprozesses im Kühlraum des pathologischen Institut des Universitätsklinikums Kiel zwischengelagert. Die Art und Weise der Präsentation wurde möglichst klar strukturiert.

Die Präsentationsobjekte sollten keine große Würdigung erfahren und so entschloss ich mich der klaren Formensprache. Klanglich untermalte ich die Präsentation mit orig. Tönen aus dem Schlingensieffilm, sowie der Hinzugabe von eigenen Tonaufzeichnungen, die eine weitere Deutungsebene zulassen sollen.

Für die Idee, der Präsentation in Suchsdorf, danke ich Frank u. Jakob, denn hier ist der optimale Raum für die Präsentation, denn eine Präsentation im Fotostudio hätte die Objekte in einem anderen Licht ,erstrahlenʻ lassen.


© C. Schwarz 01//2011